Ein Blogartikel von Frits Koster
Vergeben klingt so leicht, ist aber alles andere als einfach. Wenn kleine Dinge schiefgelaufen sind – bei uns selbst oder bei anderen – fällt es uns leicht zu verzeihen. Vor allem, wenn etwas zum ersten Mal schief gegangen ist, erweist sich das als sehr wertvoll: Wir fangen wieder von vorne an. Im Falle von wichtigen Beziehungen in unserem Leben ist dies sehr nützlich, man spricht hier vom evolutionären Wert der Vergebung.
Manchmal aber ist Vergebung (noch) unerreichbar, weil wir innerlich viel Wut, Groll oder Enttäuschung spüren. Dann scheint Bereitschaft zu vergeben angemessener zu sein. Dann gibt es eine Bereitschaft oder Offenheit und eine wohlwollende Haltung oder einen Wunsch wie: ‚Möge es jemals weicher werden in mir‘ oder ‚Ich wünsche uns, dass wir eines Tages wieder in gutem Einvernehmen leben können‘.
Manchmal stellt sich auch heraus, dass ein anderes Wort etwas besser passt. Ich kenne zum Beispiel viele Menschen, die auf das Wort ‚vergeben‘ etwas allergisch reagieren oder sich fast übergeben müssen (Wortspiel beabsichtigt). Oft hat das mit einer Erziehung zu tun, in der Vergebung eher als normative Pflicht denn als kluge Entscheidung interpretiert wurde. Worte wie ‚Versöhnung‘ oder ‚versöhnlich‘,‚Erleichterung‘ oder ‚Frieden finden mit‘ wären dann vielleicht passender.
Und manchmal erweist sich keines dieser Worte als hilfreiche Tür. Dann ist die Verletzung oder der Schaden zu groß oder zu frisch. Auch das Mitgefühl kann hier eine Rolle spielen, denn Vergebung ist eher ein Prozess als das Erreichen eines Ziels. Und manchmal kann dieser Prozess viele Jahre dauern.
In diesem Sinne habe ich vor einigen Wochen ein sehr schönes Wort in Martha Nussbaums Buch „Zorn und Vergebung“ (WBG, 2017) entdeckt. Sie plädiert in diesem philosophischen Diskurs für Gelassenheit oder eine Haltung, die nicht nachtragend ist.
Eigentlich ist Gelassenheit ein schönes Synonym für Gleichmut: eine nicht wertende Haltung, in der wir in Bezug auf die schmerzhaften Gefühle achtsam sein können und auch beginnen, alle Arten von Gedanken und Gefühlen von Wut, Traurigkeit, Enttäuschung, Bitterkeit als Teil des Prozesses zu erkennen.
Achtsames Erkennen kann hier also eher nicht als „Schädlingsbekämpfungsdienst“, sondern eher als „Integrationsdienst“ verstanden werden. Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass ich zumindest dadurch nicht mehr so leicht in (unangenehme) Ressentiments und Rachegefühle verfalle oder sie – wenn sie doch auftauchen – nur noch betrachten muss, ohne weiter etwas mit ihnen zu tun. Auf diese Weise kann sich allmählich ein innerer Gelassenheit entwickeln, die erstaunlich ausgleichend wirken können, vor allem dann, wenn die Härte, die wir uns selbst oder anderen gegenüber erfahren haben, noch sehr frisch und unverarbeitet ist.
All diese Prozesse können Teil der Vergebungspraxis sein. Um dies zu unterstützen, haben wir das Mindfulness-Based Training in Forgiveness (MBFT) entwickelt. Es mag so klingen, als müssten Sie besonders schwierige Themen haben, um daran teilzunehmen, aber natürlich können es auch leichtere Herausforderungen sein. Denn in unseren Beziehungen zu uns selbst und zu anderen sind wir alle mit den Unzulänglichkeiten des Lebens konfrontiert. Auch die Auseinandersetzung mit leichteren Themen erweist sich als sehr bereichernd und erweiternd, als Vertiefung von Mitgefühl und Gleichmut.
– Frits Koster, August 2023